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Spine, Spline … Fine?

Spine, Spline … Fine?

Da sind sie wieder, die Wörter, die man schon gehört hat und die wohl wichtig wären, man aber irgendwie nicht ganz einordnen kann. Leider höre ich ab und zu diese Worte selber, aber leider manchmal im falschen Kontext oder völlig falsch verstanden und einander gleichgesetzt. Nundenn! Schauen wir uns die Thematik mal genauer an.

Spine:

Im Englischen ist der Spine der Rücken. Wie beim Menschen ist der Spine sehr stark in Beugen und Stabilitäten eingebunden. Beim Pfeil ist es die Biegsamkeit des Schaftes. Je weicher / flexibler der Spine, desto mehr kann gebeugt und gebogen werden.

Natürlich ist es nicht NUR der Spine, welcher besagt, wie stark ein Pfeil gebogen werden kann. Die Länge des Pfeils ist wie auch die Pfundzahl auf Finger ein grosser Faktor. Denn es ist klar: einen kurzen Bolzen kann man weniger biegen als eine lange Stange desselben Durchmessers. Ebenfalls logisch ist es, dass mit mehr aufgewendeter Kraft auch mehr gebogen wird. Vermutlich habt ihr nun diese Aussage einfach so hingenommen. Gerne möchte ich aber noch erklären, warum mehr Pfund eigentlich zu mehr Biegung führt:

Denn es ist ja schon seltsam: Da drücke ich in der Richtung des Pfeils auf den Nock, und er soll sich biegen? Eine Stange biegt sich eigentlich nur wenn eine Kraft seitlich oder zumindest schräg aufgebracht wird. In Line würde sie die Stange normalerweise nur komprimieren aber nicht beugen, oder? Dies ist korrekt. Es gibt aber mehrere Faktoren, warum ein Pfeil im Bogen gebogen und nicht komprimiert wird:

  • Die Kräfte sind zu gering um eine merkliche Kompression eines Pfeils hervorzurufen. Die Energie wird somit von der Kompression in eine andere Richtung geleitet.
  • Die Sehne und somit das Pfeilende wird zumindest bei Recurve-Schützen NICHT genau in der Linie des Pfeils gelöst. Da wir die Sehne seitlich auf den Fingern haben, wird beim Lösen die Sehne auch leicht seitwärts gelenkt.
  • Der Pfeil ist vorne mit dem Spitz träger als hinten beim Nock. Eine identisch schnelle Beschleunigung des Spitzes und des Nocks ist somit physikalisch nicht möglich. Der Spitz hält somit den Pfeil zurück, während das Pfeilende bereits bewegen kann.
  • Durch diese Zurückhaltung, der quasi nicht möglichen Kompression des Pfeils und der bereits initiierten seitlichen Bewegung des Pfeilendes beugt sich der Pfeil mehr und mehr je stärker der Bogen nun leicht seitlich auf den Pfeil drückt. Dadurch wird mit mehr Pfund auch der Pfeil mehr gebogen.

Diese 3 Werten (Länge, Pfund, Spine) sind sehr stark miteinander verknüpft. In den bekannten Tabellen der Pfeilhersteller sind aus diesem Grund auch immer die Länge und Pfund die beiden Faktoren, die zusammen den empfohlenen Spine ergeben.

 

Nun wissen wir, warum sich ein Pfeil biegt und dass der Spine wichtig ist. Aber was genau ist diese Zahl, die den Spine definiert? Eine Zahl von ca 300 bis ca 1200… Aber was sagt sie aus?

Der Spine wird traditionell als statischer Spine gemessen: ein Pfeil wird auf eine 28 Inch lange Auflage gelegt und zentrisch mit 2 Pfund belastet. Der Schaft biegt sich dabei. Es wird nun die Durchhängung in tausendstel Inch gemessen. Dieser Durchhang ist dann der Spine-Wert. Ein Pfeil mit einem Spine von 470 (Selten auch als 0.470 angegeben) ist somit ein Durchhängen von 470/1000 Inch oder 0.470 Inch. Somit wird auch klar: Je grösser der Spine-Wert, desto mehr hängt der Pfeil durch, desto weicher ist er.

 

 

 

Der aufmerksame Leser hat aber etwas bemerkt: Ich rede von einem statischen Spine. Gibt es denn auch noch einen anderen? Ja. Und der andere Spine ist der eigentlich wichtige! Warum reden wir aber immer vom statischen Spine wenn wir «Spine» sagen? Der andere Spine, der dynamische, ist massivst schwieriger zu messen und würde hochauflösende Highspeed-Kameras oder ähnliches erfordern. Der dynamische Spine wird mit dem quer zum Pfeil aufgebrachten Kraft gemessen. Der dynamische Spine  wäre die Biegung bei einer definierten Pfeillänge mit definierter Kraft in einem definierten Winkel von schräg hinten auf den Pfeil. Dieses Setup wäre aber immer noch keineswegs identisch mit dem Setup des jeweiligen Schützen da ja jeder Schütze ein eigenes Setup hat betreffend Pfeilversatz, Sehnenabstand, Pfund, Länge, Sehnenversatz, Button-Härte, usw… Man würde also eine einfach zu definierende und einfach zu messende künstliche Metrik (Statische Spine) mit einer extrem komplex zu definierenden und messenden Metrik ersetzen. Keine der beiden würde genau den Schützen abbilden. Der statische Spine ist aber einfach sogar selbst zu messen; der dynamische Spine ist für den Haus- und Vereinsgebrauch und -Messung völlig ungeeignet. Das Schöne am statischen Spine ist, dass er eine sehr starke Korrelation mit dem dynamischen Spine hat. Als Auswahlkriterium für Pfeilschäfte und einen Startpunkt zum Tuning reicht er allemal.

Wer nun etwas aufgepasst hat, merkte, dass ich oben auch Dinge wie Pfeilversatz, Sehnenabstand und dergleichen erwähnt habe, die scheinbar auf den dynamischen Spine einen Einfluss haben. Korrekt. Ich möchte hier ganz kurz das Beispiel des Pfeilversatzes anbringen: Wir wissen nun ja, dass die Sehne nicht ganz gerade von hinten auf den Pfeil drückt, sondern ganz leicht schräge. Wenn ich mit dem Pfeilversatz nun die Richtung des Pfeiles im Bogen ändere, ändere ich somit auch den Winkel, in dem die Sehne auf den Pfeil drückt. Logischerweise beeinflusst dies somit das Biegeverhalten des Pfeiles im Bogen und somit den dynamischen Spine.

Ein gutes Video über dieses Thema von WorldArchery findet sich unter https://goo.gl/ajCsmh

 

 

Spline:

Wir sind nun schon fast theoretische Experten was den Spine betrifft. Was aber ist denn nun dieser Spline? Ein einzelnes L mehr im Namen wird wohl nicht viel zu sagen haben, oder? Ich vermute, dass bei einigen Personen, die vom Spline hören das Wort nicht genau verstanden haben und den Spline mit dem Spine gleichgesetzt haben. Verständlich, da beide irgendwie etwas mit Biegsamkeiten zu tun haben.

Aber schauen wir auch hier mal die Definition des Wortes mal genauer an:

1946 wurde erstmals in einem wissenschaftlichen Paper von Schönberg der Begriff «Spline» verwendet. Ein Spline ist eine Verbindung mit weichen und fliessenden, polynomischen Annäherungs-Stücken. Aha. Alles unklar?

Ich versuche eine etwas einfachere Erklärung… Wenn wir mehrere Werte-paare einer Messung haben, so verhalten sich diese selten linear / gerade.

Meistens sind irgendwelche wilden Kurven und «Ungeradheiten» drin. Hier ein Beispiel:

Die orangen Daten sind linear (X*256). Die blau gepunktete Linie ist hier zum Beispiel ein polynomischer Spline mit der Formel 2^(2X) an die 5 Datenpunkte in Blau gelegt.

Was aber hat das nun mit Bogenschiessen, geschweige denn mit der Biegung von Pfeilen zu tun? Ganz einfach: Ein Pfeil muss nicht in jede Richtung denselben Spine haben.

 

 

 

 

 

 

Wenn wir nun bei einen Pfeil den Spine messen in jede Richtung des Schaftes, so werden wir nicht immer den Soll-wert erhalten. Bei Holz- oder ACE & X10-Pfeilen ist dies vom Material oder der Herstellmethode vorgegeben. Als Beispiel habe ich hier mal einen Schaft mit einem Soll-Spine von 470 simuliert:

Blue Punkte: Gemessener Spine in jede Richtung
Rot: Spline der gemessenen Punkte
Grün: Soll-Spine (470)

 

Deutlich sieht man, wie der gemessene Spine leicht vom Soll-Spine abweicht, je nachdem, in welche Richtung man den Schaft biegt.

Diese Punkte weich und fliessend verbunden ergeben einen Spline.

 

Da ein Pfeil beim Abschuss vorallem in eine einzelne Richtung gebogen wird (Compound hoch-runter, alle anderen seitlich), ist es naheliegend, dass man in der Biegerichtung immer denselben Spine haben will. Ehja: Sonst hat an ja immer einen anderen aktiven Spine bei jedem Pfeil…

Man will aber immer denselben aktiven Spine! Dies ist möglich, indem der Spline ausgerichtet wird: Beim Befiedern wird darauf geachtet, dass man den Schaft so befiedert, dass die weiche Seite immer in dieselbe Richtung schauen wird.

Tests mit Hoch-Klasse-Schützen bei Beiter haben gezeigt, dass eine beste Gruppierung zustande kommt, wenn die Weiche Seite zum Bogen schaut. Im obigen Beispiel wäre das die Seite, welche im Winkel  von ca 2-3 Uhr gemessen wurde.

Wie aber wird ein Spline eruiert? Dies ist eine sehr aufwändige Sache: In Spezifischen Bogen-Zentren wie z.B. bei Beiter ist es möglich mit einer speziell dafür gebauten Maschine relativ schnell und einfach den Spline eines Pfeiles zu messen. Aber dies ist für Normale Schützen meistens gar nicht nötig: Es reicht meistens, wenn man weiss, welche Seite die schwache Seite des Schaftes ist. Dazu gibt es ein ganz einfaches Gerät zu Kaufen zB von Tec-Hro:

Der BVB besitzt solch ein Gerät welches zur Verfügung steht  für seine Mitglieder. Gerne zeigen eure Trainer euch die Verwendung dieses Geräts wenn ihr Pfeile neu befiedern wollt. Idealerweise bevor Nocken eingeklebt oder alte Federn bereits auf dem Schaft sind.

 

Zusammenfassung / TLDR:

Spine ist der generelle, durchschnittliche Soll-Wert der Biegsamkeit eines Pfeilschaftes. Schaftlänge, Zugkraft und Setup beeinflussen diesen Spine. Es gibt den statischen Spine, welcher auf den Schäften steht und es gibt den dynamischen Spine welcher zwar der einzig wichtige und korrekte wäre, der aber fast nicht zu messen ist. Der statische Spine und der  dynamische sind aber gegenseitig richtungsgebend.
Der Spline beim Schaft ist die Unregelmässigkeit des Spines um den Schaft herum gemessen. Die weiche Seite sollte bei allen Schützen ausser Compound zum Bogen schauen.